Der Weg zur Innenarchitektur
Frau Gorella, wir freuen uns sehr, Sie heute bei uns begrüßen zu dürfen. Sie sind Innenarchitektin und Gründerin von Lux Design Living in Berlin und gestalten seit vielen Jahren einzigartige Räume für anspruchsvolle Kunden. Wie würden Sie Ihren persönlichen Designstil in einigen Worten beschreiben?
Astrid Gorella: Elegant, zeitlos, sehr harmonisch und gemütlich.
Wie sind Sie zur Innenarchitektur gekommen? Gab es ein Schlüsselerlebnis?
Astrid Gorella: Schon in meiner frühesten Kindheit durfte ich viele Häuser und Villen besichtigen, weil ich oft über Kontakte meiner Eltern eingeladen war. Ich war immer fasziniert von verschiedenen Einrichtungsstilen und habe alles aufgesogen. Später lebte ich eine Weile mit meiner Familie in Singapur, wo ich einen Künstler traf, der antike chinesische Möbel restaurierte. Durch ihn bekam ich Zugang zur dortigen Designszene und begann, Interior Design zu studieren.
Wo haben Sie Interior Design studiert?
Astrid Gorella: Ich habe zuerst in Singapur angefangen, anschließend ein paar Semester in Shanghai absolviert und schließlich in Hamburg meinen Abschluss gemacht.
Gab es Designer, die Sie während Ihres Studiums oder danach besonders inspiriert haben?
Astrid Gorella: Mich haben vor allem die klassischen Mid-Century-Designer geprägt. Diese Möbel sind meiner Meinung nach absolut zeitlos und werten jedes moderne Design durch ihre besondere Formensprache auf.
Zwischen Ästhetik, Nachhaltigkeit und Kunst: Einblicke in Designprinzipien, Materialwahl und die Bedeutung von Kunst im Interior Design
Worauf legen Sie bei der Gestaltung besonderen Wert?
Astrid Gorella: Für uns sind Farben sehr wichtig. Wir arbeiten nicht nur in Schwarz-Weiß-Tönen, sondern bevorzugen eine fröhliche, farbenfrohe Gestaltung, weil sie die Stimmung hebt und zum Wohlbefinden beiträgt. Auch Texturen, Materialien und Oberflächen sind entscheidend; wir suchen sie passend zum Lebensstil der Kunden aus. Möbel werden stets gezielt eingesetzt und arrangiert, damit sie sowohl ästhetisch überzeugen als auch den Bedürfnissen des Kunden gerecht werden, zum Beispiel wenn häufig Gäste empfangen werden.
Wie verbinden Sie Ästhetik und Funktionalität in Ihren Entwürfen?
Astrid Gorella: Funktionalität ist essenziell. Wenn Proportionen oder Abstände nicht stimmen, fühlt man sich unbehaglich. Wir achten deswegen sehr auf Bewegungsfreiheit, harmonische Maße und Komfort, damit eine gemütliche Atmosphäre entsteht.
Welches Designelement wird Ihrer Ansicht nach häufig unterschätzt oder verdient mehr Aufmerksamkeit?
Astrid Gorella: Viele Menschen machen sich wenig Gedanken über Details und konsumieren eher passiv. Wenn wir ein Projekt betreuen, bieten wir unseren Kunden allerdings neue Perspektiven. Wir erklären, wie jedes Element – Farben, Texturen, Beleuchtung, Oberflächen – bewusst eingesetzt werden kann, um ein stimmiges Gesamtkonzept zu schaffen.
Was zeichnet für Sie gutes Interior Design aus, insbesondere in Hinblick auf Zeitlosigkeit und Nachhaltigkeit?
Astrid Gorella: Nachhaltigkeit ist ein zentrales Thema. Wir informieren uns auf Messen wie der „Salone del Mobile Milano“ stetig über neue Materialien. Kürzlich haben wir beispielsweise eine Leuchte entdeckt, die aus recyceltem Nylon im 3D-Druckverfahren hergestellt wird. Solche Innovationen nehmen wir gern in unser Portfolio auf, weil sie nachhaltig und gleichzeitig ästhetisch sind.
Merken Sie, dass Kunden verstärkt nach nachhaltigen Lösungen fragen?
Astrid Gorella: Häufig sprechen sie es nicht von sich aus an. Wir bringen das Thema aktiv in die Beratung ein, indem wir recycelte Stoffe, recycelte Teppiche, nachhaltige Hölzer oder 3D-Druck-Lösungen vorschlagen. Dann sind Kunden meist sehr offen, diese Ideen umzusetzen.
Können Sie von einem Projekt berichten, das Sie kürzlich realisiert haben und das Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?
Astrid Gorella: Wir durften nicht nur das komplette Interior gestalten, sondern auch die Kunst des Bauherrn platzieren. Es handelte sich unter anderem um abstrakte Werke und inszenierte Fotografien, wie diese von Mark Seliger, mit dem Thema Vergänglichkeit, Moratalität und Symbolismus. Wir haben diese Stücke nach Fertigstellung des Interiors gemeinsam im Raum arrangiert und waren glücklich, dass der Kunde uns völlig vertraute und vom Ergebnis begeistert war.
Was für Kunst war das genau?
Astrid Gorella: Teilweise abstrakte Kunst, teilweise Fotografie, bei der es um Vergänglichkeit und Tod ging. Einige Werke wirkten wie Filmszenen.
Welche Rolle spielt Kunst generell in Ihren Projekten, und wie integrieren Sie sie harmonisch in ein Raumkonzept?
Astrid Gorella: Kunst kommt oft zu kurz, weil Budgets für Interior nicht selten begrenzt sind und Kunst dann als Erstes eingespart wird. Dabei ist Kunst ein wichtiges Element, um einem Raum eine persönliche und exklusive Note zu geben. Auch Dekorationen wie Kissen, Vorhänge oder besondere Objekte zählen für mich zum Bereich Kunst, da sie den Charakter eines Raumes prägen.
Gibt es zeitgenössische Künstler, mit denen Sie momentan häufiger zusammenarbeiten?
Astrid Gorella: Das ist sehr unterschiedlich. Momentan setzen wir beispielsweise gern Werke von Jennifer Franzke ein, die monumentale, klassische Gebäude mit wilden Tieren kombiniert. Diese Verbindung passt oft gut zu unseren modernen, reduzierten Interiors.
Haben Sie schon einmal ein Designprojekt rund um ein bestimmtes Kunstwerk oder eine Sammlung aufgebaut?
Astrid Gorella: Ja, vor etwa 20 Jahren kuratierte ich Werke meines Berliner Schwiegervaters Arwed D. Gorella, ein Maler des Neuen Realismus und Buchillustrator, in einer Loftwohnung in Singapur. Es waren großformatige Gemälde mit starken Farben und Ausdrücken. Wir haben Wandfarben und Möblierung so gewählt, dass sie den intensiven Bildern Raum geben und die Wirkung unterstreichen.
Kreative Herausforderungen und erfolgreiche Kundenbeziehungen: Wie außergewöhnliche Wünsche umgesetzt und einzigartige Projekte gestaltet werden
Gab es ungewöhnliche Herausforderungen oder ausgefallene Wünsche, die Sie kreativ besonders gefordert haben?
Astrid Gorella: Ein Kunde wollte zum Beispiel seine elektrische Zahnbürste liegend im Waschtisch laden. Ein anderer, der leidenschaftlich gern Kaffee trinkt, wollte seine Siebträgermaschine per KNX-System vom Bett aus starten, damit sie beim Aufstehen schon aufgeheizt ist. Ein weiterer Kunde hatte Schuhgröße 46 und sammelte Schuhe. Er wollte sie exakt hintereinander sichtbar aufbewahren, was uns bei den tiefen und schrägen Fachböden zum stundenlangen Tüfteln mit dem Tischler motiviert hat. Solche Projekte machen Spaß und sind sehr individuell.
Wie sieht die Zusammenarbeit mit Ihren Kunden konkret aus, wenn Sie ein neues Projekt beginnen?
Astrid Gorella: Zunächst lernen wir uns in einem Gespräch kennen und prüfen gegenseitig, ob die Chemie passt. Vertrauen ist in unserem Beruf enorm wichtig. Danach hören wir viel zu und stellen gezielte Fragen, um die Wünsche und den Lebensstil des Kunden zu verstehen. Auf dieser Basis entwickeln wir ein Konzept, das wir anschließend in 3D-Visualisierungen zeigen. So erhält der Kunde eine sehr realistische Vorstellung. In der Regel betreuen wir den Kunden dann bis zur schlüsselfertigen Übergabe. Manche lassen anfangs nur ein oder zwei Räume gestalten und erweitern das Projekt später auf das ganze Haus oder die gesamte Wohnung.
Warum kommen Kunden zu Ihnen, statt ihr Interior selbst zu planen?
Astrid Gorella: Häufig fehlt die Vorstellungskraft oder sie haben Angst, bei größeren Investitionen etwas falsch zu machen. Außerdem sparen sie Zeit und können sicher sein, dass ein Profi konzeptionell vorausdenkt. Manchmal besteht noch das Vorurteil, Innenarchitektur sei unbezahlbar, aber oft spart man durch eine professionelle Planung sogar Geld, weil Fehlkäufe vermieden werden.
Welche Budgetrahmen sind bei Ihren Projekten üblich?
Astrid Gorella: Es kommt sehr darauf an, was umgesetzt werden soll. Einzelne Raumkonzepte starten bei etwa 50.000 Euro, Küchen ab 35.000 Euro. Möchte jemand eine Altbauwohnung komplett mit uns einrichten, landet man schnell bei 150.000 Euro und mehr. Wir kommunizieren die Kosten immer transparent, damit sich die Kunden sicher fühlen.
Hat sich die Nachfrage oder Ausrichtung Ihrer Kunden in den letzten Jahren verändert?
Astrid Gorella: Seit Corona ist vielen bewusster geworden, dass sie sich in den eigenen vier Wänden wirklich wohlfühlen möchten. Insgesamt steigt der Wunsch, zu Hause ein repräsentatives, gleichzeitig gemütliches Umfeld zu schaffen. Außerdem investieren einige lieber ins Zuhause, statt viel Geld fürs Reisen auszugeben.
Wo finden Sie Inspiration für neue oder innovative Ideen?
Astrid Gorella: Auf Fachmessen, in Showrooms, aber auch in Boutiquen und durch Architektur. Ich lasse mich gern von konsequenten Konzepten inspirieren. Kürzlich war ich in Mailand in einem Stein-Showroom, in dem dasselbe Material überall eingesetzt wurde: Böden, Wände, sogar die Küche war komplett damit verkleidet. Diese radikale Einheit hat mich motiviert, Materialien in Projekten noch gezielter und großflächiger einzusetzen.
Gibt es ein Traumprojekt, das Sie gern einmal realisieren möchten?
Astrid Gorella: Ich würde sehr gern eine Villa auf Ibiza gestalten und dabei lokale Materialien sowie Handwerk integrieren. Es reizt mich, den Charakter einer Region in ein Design zu übersetzen und dadurch etwas Einzigartiges zu schaffen.
Was war das schönste Kompliment, das Ihnen je ein Kunde gemacht hat?
Astrid Gorella: Nach einem Jahr intensiver Zusammenarbeit wirkte ein Kundenpaar immer recht sachlich. Beim letzten Termin, als alles abgeschlossen war, umarmte mich die Kundin plötzlich und sagte, wie perfekt sie ihr Zuhause nun findet, besonders mit den neu angebrachten Vorhängen. Diese emotionale Reaktion hat mich sehr berührt.
Haben Sie einen Tipp für Leser, die ihr Zuhause kunstvoll und zeitlos gestalten möchten?
Astrid Gorella: Sich inspirieren lassen, zum Beispiel durch hochwertige Interior-Magazine und ausgewählte Instagram-Profile. Wir selbst teilen Ideen über „Lux Design Living“. Wichtig ist, offen für neue Konzepte zu sein und am besten Fachleute hinzuziehen, um Fehlkäufe zu vermeiden und ein stimmiges Gesamtkonzept zu erhalten.
Haben Sie einen Rat für bildende Künstler, die mit Innenarchitekten kooperieren wollen?
Astrid Gorella: Ein gutes, aussagekräftiges Portfolio ist sehr hilfreich, gern auch in gedruckter Form, die man Kunden bei Events mitgeben kann. Außerdem ist es ideal, wenn der Künstler bei Ausstellungen persönlich anwesend ist, weil viele Menschen die Geschichte hinter einem Werk direkt vom Urheber erfahren möchten.